RADICAL. Geometrische Abstraktion in der Sammlung Würth

Das Musée Würth präsentiert vom 13. Juni 2023 bis zum 7. Januar 2024 in einer Doppelausstellung eine Auswahl von Werken der geometrischen Abstraktion aus der Sammlung Würth. Die Ausstellung LORE BERT im Erdgeschoss bietet einen Einblick in die Welt einer Künstlerin, die sich geometrischen Formen und ornamentalen Motiven widmet. Diese von der Architektur, der Natur oder der Wissenschaft inspirierten Formen finden ihren Träger im seidigen Japanpapier. Im Obergeschoss wird das Thema mit der Ausstellung RADICAL fortgesetzt, die eine Reihe von Werken der geometrischen Abstraktion aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigt. Diese abstrakte Kunst ist bei den Besuchern weniger bekannt, aber dennoch eine der Säulen der Sammlung Würth und ein großer Interessenschwerpunkt des Sammlers Reinhold Würth.

 

Die geometrische Abstraktion ist eine universelle Sprache, die in Form von geometrischen Mustern seit der Antike in vielen Kulturen zu finden ist. In der präkolumbianischen Zeit in Lateinamerika, in der altägyptischen Zivilisation oder in der raffinierten Kunst des Islam werden diese Formen gleichermaßen auf Keramiken, architektonischen Oberflächen oder Kleidungsstücken abgebildet. Diese Muster werden nicht nur zu ornamentalen oder ästhetischen Zwecken hergestellt, sondern können auch eine symbolische und magische Dimension haben. Geometrische Formen kommen auch in der natürlichen Umgebung vor. Wenn man Mineralien, Pflanzen oder Muscheln mit bloßem Auge oder unter dem Mikroskop betrachtet, erkennt man die geometrischen Eigenschaften, aus denen die Natur besteht. Kristalle, Waben, Moleküle und Atome sind Systeme von Formen, die sich in verschiedenen Maßstäben strukturieren.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde diese gegenstandslose Kunst im Westen von der künstlerischen Avantgarde wiederbelebt und verbreitet: Wassily Kandinsky, František Kupka und Piet Mondrian waren die Initiatoren und berühmten Vertreter dieser Kunstrichtung. Der Rückgriff auf die geometrische Form zeugt von einer Ablehnung der illusionistischen Praktiken der Vergangenheit und dem Wunsch, eine neue künstlerische Sprache zu schaffen. Mit dieser, im Französischen auch als „non objectiv“ (nicht objektiv) bezeichneten Malerei wollten Künstlerinnen und Künstler eine Sprache begründen, die Wissenschaft, Musik oder auch Spiritualität mit der Kunst verbinden sollte. Indem sie, hinter den geometrischen Formen Wahrheiten zu erkennen glaubten, folgen sie Platons Gedanken, der die Geometrie als Schnittstelle zwischen der materiellen Welt und religiösen Ideen versteht. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Abstraktion in Europa dank Künstlergruppen und Galerist:innen wie Denise René einen neuen Aufschwung. Die Kämpferin für kinetische Kunst und geometrische Abstraktion stellte Jesús-Rafael Soto, Yaacov Agam, Alberto Magnelli, Auguste Herbin, Victor Vasarely, Jean Dewasne, Richard Mortensen oder den Bildhauer Robert Jacobsen aus und setzte sich für sie ein.

Über Letzteren kam der Sammler Reinhold Würth mit Denise René in Kontakt und die guten Beziehungen führten dazu, dass Werke dieser „zweiten Abstraktion“ in die Sammlung Würth aufgenommen wurden. Viele von ihnen forderten eine abstrakte Kunst, die um ihrer selbst willen existiert: Geometrische Formen, reine Farben und glatte Oberflächen sind frei von symbolischen Bedeutungen und sollten nur als das geschätzt werden, was sie sind. Angesichts dieser rein ästhetischen, visuellen und formalen Werke können sich der Blick und das Gefühl frei und losgelöst fühlen. Die Ausstellung Radikal. Geometrische Abstraktion in der Sammlung Würth wendet sich sowohl an den Verstand als auch an die Gefühle.

Quinte Lothar
Corona
1972
Sammlung Würth, Inv. 11176
© ADAGP, Paris, 2023

Yaacov Agam
Struktur Form Farben, 1974
Sammlung Würth, Inv. 5724
Foto : Volker Naumann, Schönaich

Josef Albers
Strukturale Konstellation B-8, 1954
Sammlung Würth, Inv. 2114
Foto : Philipp Schönborn, Munich
© ADAGP, Paris, 2023

Aurelie Nemours
Drei Figuren, 1952
Sammlung Würth, Inv. 2217
Foto : Philipp Schönborn, Munich
© ADAGP, Paris, 2023